/

Synästhetische Purzelbäume

Kinderbuch | Anke Kuhl, Moni Port (Hgg.): Mukkekukke

Musik erzählt Geschichte. Manchmal ist das ganz einfach: man muss nur dem Text zuhören. Manchmal steckt die Story aber auch ein bisschen versteckter im Rhythmus und der Melodie. Da braucht es dann offene Ohren – und offene Augen, den hier gibt’s Comics zu einer bunten Auswahl von Musik von Beethoven und Manfred Krug bis zu den Ärzten und Gioachino Rossini, freut sich ANDREA WANNER.

Tiere, die einen Comic lesen und dabei zur Musik einer Bluetooth-Box tanzen.Dazu muss man sich erst mal den Titel auf der Zunge zergehen lassen. Aus Mucke, einem saloppen Wort für Musik, und kukke, im Süden eher gucke, also sehen, schauen, wird MUKKEKUKKE, Musik zum Anschauen. Und so unterschiedlich die Auswahl an Musikstücken ist, so vielfältig auch die an Illustratorinnen und Illustratoren. Von Anke Kuhl und Moni Port, den beiden Herausgeberinnen, ist von neben Ole Könnecke, Eva Muggenthaler, Axel Scheffler, Jutta Bauer, Rotraut Susanne Berner und Philip Waechter alles dabei, was Rang und Namen hat.

Und so funktioniert‘s. Man nehme ein Musikstück, zum Beispiel »Bademeister*in« von Dota, einer Band um die Sängerin und Liedermacherin Dota Kehr. Da geht es um den Job, den ein Bademeister zu leisten hat, ist Aufpasser, Mahner, Retter Seepferdchen-Prüfer und nicht zuletzt Verwalter des Schwimmbretterschranks. Das alles macht er super und deshalb gibt es dieses Loblied auf ihn – das auch einer Bademeisterin gewidmet sein könnte und es nur aus einem Grund nicht tut, wie der Song verrät:

»Sie kann alles genauso gut, das ist wie es scheint.
Nur, dass sie sich leider halt nicht so gut reimt.«

Ein frecher, origineller Song, um den sich Natascha Vlahovic kümmert. Sie erweckt den Typ mit Shorts, Schlappen und Trillerpfeife zum Leben, lässt ihn und die Badenden mit dicker schwarzer Kontur, klaren Formen und leuchtenden Farben auf Ganz- und Doppelseiten am und im Beckenrand agieren. Und zum Gucken hört man die Mukke, verfügbar auf einer Playlist über Spotify, Deezer oder Apple Music, notfalls über ein kostenloses Probeabo.

Tiere spielen in vielen der Lieder und Stücke eine Rolle, in ›Frosches Lied‹ von Manfred Krug beispielsweise, zu dem Nadia Budde einen schrägen Comic in Grüntönen entwirft, der dem gut getarnten Frosch entspricht.
In ›Die Biene‹ – die von François Schubert und nicht von Franz Schubert stammt, und als ›L’Abeille‹ als Nr. 9 in den Bagatellen op. 13 für Violine und Klavier enthalten, summt und brummt es – wie in einem Bienenstock eben. Dazu gibt es ein wunderbares doppelseitiges Wimmelbild von Max Fiedler, in dem Tiere in einer umtriebigen Insektengroßstadt unterwegs sind. Was für ein Spaß, sie auf dem Skateboard, am Flügel oder zeitungslesend zu entdecken.

Abb.: Reprodukt

Jedes Neue Musikstück bringe neuen Bilderspaß, der Stimmung angepasst, mitreißend, irritierend, originell, verrückt: immer eine neue Überraschung – und einfach genial!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Anke Kuhl und Moni Port (Hrsg.): Mukkekukke
Comic zu Musik
Berlin: Reprodukt 2024
144 Seiten, 20 Euro
Kindersachbuch für alle

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Hitze

Nächster Artikel

Ausgetrickst

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Die philosophierende Katze

Comic | Joann Sfar: Die Katze des Rabbiners Selten schaffen es Graphic Novels in die Feuilletons der Mainstream-Medien. Die Reihe ›Die Katze des Rabbiners‹ des französischen Comiczeichners und Filmregisseurs Joann Sfar ist da eine Ausnahme. Sie gilt als genreübergreifend interessant, was nicht verwunderlich ist, da die in den 2000er Jahren entstandene Reihe 2011 verfilmt wurde, für mehrere Preise nominiert war und wohl als das schönste Kurzkompendium des Judentums fungiert – sowie gleichzeitig ein toller Schmöker für Katzenfans ist. Wegen der großen Beliebtheit der Reihe verlegt der Avant-Verlag nun alle fünf Teile neu und publiziert sie in zwei Sammelbänden. Vor kurzem

Su casa es tu casa

Comic | Paco Roca: La Casa Der spanische Comic-Künstler Paco Roca legt mit ›La Casa‹ sein bislang persönlichstes Werk vor. Es lässt drei Geschwister nach dem Tod ihres Vaters im gemeinsamen Elternhaus zusammenkommen. Und hilft ihnen auf diese Weise, die verzahnten Verhältnisse ihrer Familienbande zu rekapitulieren – was einen auch selbst in Beschlag nimmt. Von CHRISTIAN NEUBERT

Weiblich(?), ledig, jung, sucht…

Comic | Suskas Lötzerich: Hexenblut Ein bewegtes Leben im Rückspiegel eines rasanten Comic-Vehikels: ›Hexenblut‹ hangelt sich episodenhaft durch das bewegte Leben des intersexuell geborenen Suskas Lötzerich. CHRISTIAN NEUBERT hat ihn während der rastlosen Suche nach seiner Identität begleitet.

Schuld und Sühne in Bonn

Comic | Jennifer Daniel: Das Gutachten

Die Grafikerin und Illustratorin Jennifer Daniel hat mit ›Das Gutachten‹ eine Graphic Novel vorgelegt, in der die Gesellschaft der 70er Jahre anhand einer Kriminalgeschichte porträtiert wird. Im Zentrum steht Herr Martin, der in der Nacht des 1. Juli 1977, als in Bonn zum Kanzlerfest geladen wurde, in einen Autounfall verwickelt wird, bei dem eine junge Frau und ihr Sohn starben. Von FLORIAN BIRNMEYER

Kleiner Mann – was nun?

Comic | Hubert / Gatignol: Petit Mit ›Petit‹ entwirft Comicautor Hubert ein grimmiges Antimärchen zwischen ›Hans und die Bohnenranke‹ und ›Der Kleine Däumling‹. Zeichner Bertrand Gatignol findet für den Band schaurig-schöne Bilder, Rezensent CHRISTIAN NEUBERT lobende Worte. Grund für verhaltenen Tadel allerdings auch.