//

Ein schmaler Grat zwischen Fiktion und Wirklichkeit

Bühne | Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Deutsches SchauSpielHaus Hamburg

Lieben sich Martha und George wirklich? Zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Zuneigung und Hass, perfektem Spiel und schönem Schein, sind sich weder die Protagonisten noch die Besucher sicher, was wirklich auf der Bühne vor sich geht. Von MONA KAMPE

Auf den ersten Blick scheinen Martha und George die perfekten Gastgeber. Das Dozentenpaar um die Vierzig hat ein junges Paar aus der Universität zu sich eingeladen und schenkt munter Drinks aus und betreibt offen Konversation.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
Martha (Maria Schrader) gibt sich charmant und verführerisch, um den jungen Dozenten Nick (Matti Krause, l.) von ihren Vorzügen zu überzeugen. George (Devid Striesow r.) passt das überhaupt nicht (Credits: Arno Declair)

Doch schon bald läuft die makellos eingespielte Performance aus dem Ruder: Der Alkohol fließt, die Gastgeber gehen sich an die Gurgel, schmeißen mit Beleidigungen um sich und schießen scharf gegen den Besuch. Allen voran George, der ahnt, dass Martha darauf aus ist, sich den jungen Nick als Liebhaber anzulachen. Diese selbst gibt sich als ungenierten Freigeist und lässt George in einem schlechten Licht als Versager dastehen. Nicht ohne Folgen.

Doch auch die Gäste haben ihre Geschichte, die durch geschickte Fragen nach und nach entlockt wird. Als das Gespräch auf Marthas und Georges Sohn kommt, ist der Zweikampf entfacht. Nicht nur die Besucher fühlen sich einer unmöglichen Fremdschäm-Situation ausgesetzt.

Die Wahrheit hinter der Fiktion bleibt vernebelt

Karin Beier gelingt 2019 eine moderne, authentische und emotionsreiche Inszenierung des Bühnenklassikers ›Wer hat Angst vor Virginia Woolf?‹ von Edward Albee von 1962. Das Schauspiel in Anlehnung an den durch Elizabeth Taylor und Richard Burton 1966 bekannt gewordenen Film besticht durch reduziertes Bühnenbild und namenhafte Besetzung, starke Dialoge sowie großartiges Charakterspiel.

Maria Schrader und Devid Striesow brillieren in ihrer perfekten Eheperformance als Martha und George, deren Spiele Wahrheit und Fiktion für den Zuschauer verschwimmen lassen und die eigentlichen Bedürfnisse der beiden nur erahnen lassen. Ob unerfüllter Kinderwunsch, Langeweile, Alter, mangelnde Anerkennung oder Tod – was für die beiden zu spät scheint, kann für ihre jungen Gäste die Rettung sein.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
Martha (Maria Schrader) und George (Devid Striesow)- Liebe oder Wahn? Die Frage aller Fragen (Credits: Arno Declair)

Das eigentlich tragische Bühnenstück lädt dennoch durch die Absurdität und den spritzigen Irrwitz der Konversationen und auch Situation an sich zum Lachen ein. Ich selbst erwischte mich mehrmals im Lachflash – auch dank der tollen Charakterdarsteller. Eine unterhaltsame, bewegende Inszenierung, die mit sieben Vorhängen Applaus belohnt wurde.

| MONA KAMPE
| Titelfoto: ARNO DECLAIR

Titelangaben
Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
von Edward Albee
Deutsches SchauSpielHaus Hamburg

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Straßenkinderkram

Nächster Artikel

Mehr von Tambora

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Buntes Chaos in Berlin

Live | ComicCon Berlin 2018 Mit rund 15.000 Besuchern ging die ›German ComicCon‹ in Berlin zu Ende. Zwei Tage voller Verwunderung und farbenfrohem Chaos liegen hinter den Comicfans. In den Hallen konnte man internationale Stars, Comic-Zeichner, Workshops, Panels, Fotoshootings und nachgebaute Film-Kulissen bewundern. Natürlich zogen die tollen, selbst gestalteten, Kostüme der Cosplayer die Blicke besonders auf sich. ANNA NOAH schaut über den Tellerrand.

Von der Natur der Sache

Musik | Festival: »Katarakt« – Kampnagel Hamburg Was soll man lange herumreden: In jedem Fall ist es außerordentlich schwierig, experimentelle Musik zu beschreiben. Das liegt in der Natur der Sache. Theoretische Ansätze fruchten da wenig. Es gibt allerdings Leute, die darin einen Vorzug sehen. Doch. Von WOLF SENFF(Foto: Mark Bond)

Was ist der »ideale Mann«?

Bühne | Oscar Wilde / Elfriede Jelinek: Der Ideale Mann

Interaktion mit dem Publikum steht bei dieser Vorstellung ganz klar im Vordergrund. Das erfährt man zu Beginn der Vorstellung von »Der ideale Mann« am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Leonard Dick glänzt als Mason & Phipps und führt das Publikum im fast bis auf den letzten Platz besetzten Kleinen Haus zum Thema hin. Von JENNIFER WARZECHA

»Da steh ich nun, ich armer Tor!«

Bühne | Goethes Faust I-Inszenierung Stadttheater Pforzheim ›Faust. Der Tragödie erster Teil‹ wurde bereits vielfach aufgeführt und verschiedentlich sowohl in der Primär-, als auch der Sekundärliteratur innerhalb der Literaturwissenschaft gewürdigt. In Pforzheim kommt er, in Inszenierung und Bühne von Thomas Münstermann, den Kostümen von Alexandra Bentele, Video von Philippe Mainz und unter der Dramaturgie von Peter Oppermann, mit der Figur des Dr. Heinrich Faust in mehreren Variationen daher. Von JENNIFER WARZECHA

What is in a Name?

Bühne | Sophie Scholl im Theater das Zimmer

Ihr Name ist Sophie Scholl. Das ist ein Zufall. Doch der begleitet sie ihr ganzes Leben. Von MONA KAMPE