Roman | Ivy Pochoda: Sing mir vom Tod
Sie verbirgt ihre Aggressivität oft, indem sie scheinbar beiläufig vor sich hin singt. Aber alle inhaftierten Frauen im Gefängnis von Arizona wissen genau: Wenn Diosmary Sandoval, die sie kurz »Dios« nennen, ihre Narcocorridos – Songs, in denen die Taten bekannter mexikanischer Drogengangster verherrlicht werden – anstimmt, liegt Gewalt in der Luft. Die kann Gründe haben, muss sie aber nicht. Und Dios gibt erst Ruhe, wenn der Schaden, den ihre unbeherrschbare Wut angerichtet hat, ihr groß genug erscheint. Dass es Menschen gibt, die ihre Neigung zur Gewalt komplett im Griff haben, will ihr hingegen nicht in den Kopf. Und deshalb ist ihr Florence Baum, die man aufgrund ihrer Haarfarbe »Florida« getauft hat, von Beginn ihrer Bekanntschaft an suspekt. Darum hängt sie sich, als die Gefängnisse während der Corona-Pandemie Gefangene vorzeitig entlassen, um die Ansteckungen unter den Inhaftierten gering zu halten, an die Tochter aus gutem Hause, bis es in Los Angeles zum blutigen Showdown kommt. Von DIETMAR JACOBSEN