Film | Auf DVD: Die singende Stadt. Calixto Bieitos Parsifal entsteht Wer ein Theater oder eine Oper besucht, sieht auf der Bühne ein abgeschlossenes Kunstwerk. Nicht zu erahnen ist, wie viel Stunden Arbeit von unzähligen Menschen, von denen sich nur ein kleiner Teil nach der Vorstellung verneigt, zu diesem Ergebnis geführt haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu verstehen, wenn die Beteiligten verärgert auf jede negative Kritik reagieren. Sie ist ja auch eine Missachtung der Anstrengungen, die sie investiert haben. Von THOMAS ROTHSCHILD
Film | DVD: Tschaikowski – Eugen Onegin Tschaikowskis Eugen Onegin gehört zum festen Repertoire der Opernhäuser. In den vergangenen Jahren konnten zwei so unterschiedliche Inszenierungen wie die von Achim Freyer in Berlin und von Andrea Breth in Salzburg die anhaltende Wirkung dieses Bühnenwerks bestätigen. In Amsterdam hat der deutlich jüngere Norweger Stefan Herheim sich seiner angenommen. Herheim ist für seine enigmatischen Inszenierungen bekannt und nicht unumstritten. Er neigt dazu, sich mehr zu denken, als er szenisch zu vermitteln mag. Ohne Erläuterungen ist das Publikum bei ihm oft ratlos. Von THOMAS ROTHSCHILD
Film | Auf DVD: Shadows in Paradise. Hitler’s Exiles in Hollywood Es gibt eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen der verlautbarten Empfindlichkeit, mit der man in Deutschland – zuletzt im Zusammenhang mit dem skandalisierten »Gedicht« von Günter Grass – auf Kritik an Israel reagiert, und der historischen Tatsache, dass man nach 1945 in Deutschland ebenso wenig wie in Österreich daran interessiert war oder gar dazu beigetragen hätte, dass die von den Nationalsozialisten ins Exil gejagten Juden, die den Holocaust überlebt hatten, in ihre Heimat zurückkehren. Man wollte sie, um es unverblümt zu sagen, hier nicht haben. Von THOMAS ROTHSCHILD
Film | Auf DVD: Leos Janácek – Vec Makropulos Es gibt Leute, die bemängeln, dass der Regisseur Christoph Marthaler immer dasselbe mache. Das mag seine Berechtigung haben. Aber was er da immer wieder macht, ist so faszinierend, so anregend, dass sich seine Fans daran nicht sattsehen können. Marthaler ist ohne Zweifel ein Regisseur mit einer unverwechselbaren Handschrift, imitiert zwar, aber so intelligent und künstlerisch sensibel, dass auch die schwächeren Arbeiten für das Sprech- oder das Musiktheater, was bei Marthaler nicht immer unterscheidbar ist, zum Interessantesten gehören, was die Bühne der Gegenwart zu bieten hat. Von THOMAS ROTHSCHILD
Kommentar | über die Notwendigkeit einer umfassenden Film-Kritik Einem Artikel auf der Medienseite der SZ vom 9.3. entnehme ich, dass sich deutsche Kleinverleiher – nach der viel beredeten Überproduktionskrise der Degeto – an die ARD in einem Brief gewandt und die Befürchtung geäußert hatten, dass die Sender des 1. Programms nun weniger »Arthouse«-Filme einkaufen würden – wie diese ja auch »kaum noch im Programm des ZDF« vertreten seien. Von WOLFRAM SCHÜTTE
Stefan Volk: Skandalfilme. Cineastische Aufreger gestern und heute Durch Skandalfilme von Stefan Volk fühlt sich MANFRED WIENINGER gut informiert und an die Kindheit seiner Mutter erinnert.
Krimi | Im TV: Tatort ›Hinkebein‹ (WDR)
Kann eine Krimihandlung konstruiert wirken? Aber sicher: sofern sie unrealistisch viele Zutaten enthält und irgendwie Zutaten hineingeraten sind, die sich nicht zueinander fügen wollen, die nicht harmonieren. Da droht der Überblick verloren zu gehen und der innere Zusammenhang des Films. Es gibt zu viele Szenen in Hinkebein, in denen dieses Gefühl aufkommt (Regie: Manfred Stelzer). Von WOLF SENFF
FilmFritz Lang/Bertolt Brecht: Auch Henker sterben Der Titel dieses Films ist auch vielen bekannt, die ihn nie gesehen haben: Hangmen Also Die – auf Deutsch: Auch Henker sterben. Das kommt: Autor der Story ist kein Geringerer als Bertolt Brecht. Offiziell steht der Name des amerikanischen Mitarbeiters John Wexley für das Drehbuch im Vorspann. Auch Brechts Koautor, zugleich der Regisseur, trägt einen berühmten Namen: Fritz Lang. Aber es lässt sich nicht leugnen: dieser 1943 in den USA gedrehte Film bleibt zurück hinter dem übrigen Werk Brechts und auch hinter sowohl den deutschen Vorkriegsfilmen wie den amerikanischen Filmen Fritz Langs. Von THOMAS
Film | Im Kino: Attack the Block »Würde der Dritte Weltkrieg dort draußen toben, würde man keinen Unterschied merken.« Tatsächlich hat der Dritte Weltkrieg in der heruntergekommenen Hochhaussiedlung, die das labyrinthische Herz von Attack the Block ist, schon begonnen. Ein Zweifrontenkrieg zwischen engagierter Bürgerklasse und krimineller Ghetto-Jugend, zwischen Erdbevölkerung und Aliens: Menschen gegen »beschissene Monster«. So nennt Sam (Jodie Whittaker) die Gang um den jugendlichen Moses (John Boyega), von der die Krankenschwester auf dem Heimweg von der Überschicht ausgeraubt wird. Was die irdischen und außerirdischen Invasoren der innerstädtischen Arena verdienen, ist das Dogma von Joe Cornishs aggressiver Mischung aus Kampfspektakel
Film | DVD: Animation in der Nazizeit So dumm kann ein Satz gar nicht sein, dass er nicht immer wieder zitiert würde. Das gilt umso mehr, wenn er einem deutschen Dichter zugeschrieben wird, im folgenden Fall Johann Gottfried Seume: »Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.« Böse Menschen singen nicht weniger gern als gute. In Diktaturen haben Lieder Konjunktur. Von THOMAS ROTHSCHILD