Roman | Jochen Rack: Glück allein Vertrautheit, Zweisamkeit und Beständigkeit – auf solch ein Fundament baut die romantische Vorstellung von Liebe. Jochen Rack schüttelt in seinem neuen Roman mit dem anspielungsreichen Titel Glück allein dieses naiv biedere Beziehungsbild kräftig durcheinander. Und doch bestätigt der Autor in jeder dieser kurzen Momentaufnahmen eine recht konservative Welt. Von HUBERT HOLZMANN
Krimi | Leonhard F. Seidl: Viecher Leonhard F. Seidl legt im neuesten Krimi so richtig los. Und auch sein Privatdetektiv Freddie Drechsler gerät in seinem zweiten Fall richtig in Fahrt. Im wahrsten Sinne des Wortes darf er mal richtig die Sau rauslassen, pardon, den Stier an den Hörnern packen. Viecher ist wie schon Genagelt (2014) wieder ein extrem mörderischer, zugleich bajuwarisch burlesker Text – eine Mischung aus gewohntem tiefschwarzen Politsumpf und tierischem Vergnügen. Von HUBERT HOLZMANN
Roman | Hartmuth Malorny: Begegnung in Turin In Hartmuth Malornys neuem Roman Begegnung in Turin tut sich eine recht tiefgründige – vielleicht sogar abgründig zu nennende – Szenerie auf, die zunächst sehr harmlos angelegt ist und sogar beinahe romantisch. Zwei Menschen beginnen hier ein völlig harmloses »Duett«. Aus sicherer zeitlicher Distanz erzählt uns der Autor dabei ein durchaus glaubwürdiges Erlebnis aus seinem Leben, von seiner Liebe zu Italien, dem dolce far niente und eben – wie könnte es in einem Roman anders sein – von einer Frau. Gelesen von HUBERT HOLZMANN
Roman | Clemens J. Setz: Die Stunde zwischen Frau und Gitarre Clemens J. Setz legt mit seinem neuesten Buch Die Stunde zwischen Frau und Gitarre – erschienen im Suhrkamp Verlag – einen Text vor, der die Bezeichnung Roman zurecht trägt. Wer sich in den kommenden Tagen aus dem Besinnlichkeitstrubel zwischen Gans und schwiegerelterlichem Smalltalk ausklinken möchte, findet in diesem gewaltigen Band österreichischer Literatur genau den richtigen Ausweg. Das Buch des Jahres 2015 – findet HUBERT HOLZMANN
Roman | Peter Zingler: Im Tunnel Kamen Freunde von Gerichtsreportagen sowie Berichten aus Gefängniszellen in letzter Zeit durchaus auf ihre Kosten – der eifrige Beobachter blickte in Untiefen national organisierter Terrorzellen oder in den Edelknast einer bayerischen Fußballlegende (mit Nebenjob Würstchenfabrikant) –, so komplettiert der Frankfurter Journalist, Filmemacher und ehemalige Knastinsasse Peter Zingler in seinem autobiografischen Roman ›Im Tunnel‹ das Bild der bundesrepublikanischen Halb- und Unterwelt. Ein Lesevergnügen auf über 500 Seiten über das turbulente Leben eines Mannes der Nachkriegszeit mit heißen »Schlitten«, dickem Goldkettchen und – von Zeit zu Zeit – mit massig Zaster in der Tasche. Der passende
Roman | Tanguy Viel: Das Verschwinden des Jim Sullivan. Ein amerikanischer Roman Tanguy Viel schreibt seit einigen Jahren kürzere Romane. In seinem neuesten Buch ›Das Verschwinden des Jim Sullivan‹, das wieder bei Wagenbach erschienen ist, treibt er sein Spiel mit den »Kochrezepten« amerikanischer Schreibfabriken und führt diese ad absurdum. Sein »amerikanischer Roman« ist dennoch zutiefst französisch. Von HUBERT HOLZMANN
Thema| Frankfurter Buchmesse 2015 Eigentlich war es wie immer. Frankfurter Buchmesse – das bedeutet wie jedes Jahr eine Unmenge von Menschen, Besuchern, Ausstellern, Autorinnen und Autoren, Presseleuten, die sich vor allem am Wochenende durch die verschiedenen Ausstellungshallen schoben. Und 2015 wurde wieder eine steigende Zahl von Besuchern verzeichnet. Eine Nachlese von HUBERT HOLZMANN
Roman | Rachel Kushner: Flammenwerfer Rachel Kushners neuer Roman Flammenwerfer besitzt ein ungeheuer rasantes Erzähltempo, das die amerikanische Autorin auf den über 500 Seiten des Romans kaum drosseln wird. Die Erzählerin fährt hier immer auf der Überholspur – manchmal jedoch auch auf heiklem Untergrund. Der Crash scheint vorgezeichnet. Den Blick aus sicherer Distanz wagt HUBERT HOLZMANN.
Roman | Maria Lazar: Die Vergiftung Die Frau als Muse des Künstlers begegnet uns an zahlreichen Stellen der Kulturgeschichte – Charlotte von Stein, Camille Claudel, Alma Mahler-Werfel oder auch Helene Weigel haben zugunsten von Männern auf die eigene Arbeit als schaffende Künstlerin verzichtetet. Die meisten Frauen, die sich um die Jahrhundertwende 1900 trotzdem selbst künstlerisch betätigten, sind mittlerweile marginalisiert als Fußnote der Geschichte. Der Wiener Verlag Das vergessene Buch hat nun den Roman Die Vergiftung der Wiener Autorin Maria Lazar – erstmals 1920 erschienen – neu aufgelegt. Von HUBERT HOLZMANN
Roman | Jürgen Bauer: Was wir fürchten Wie schon in seinem Debüttext aus dem Jahr 2013 Das Fenster zur Welt stellt Jürgen Bauer in seinem neuen Roman Was wir fürchten die Frage nach dem Urgrund des Menschen. In seinem Erstling fand er die Antwort noch ganz zielgerichtet in einem anderen Menschen, einem Gegenüber, einem Mitspieler und dessen Geschichte, Erfahrungen und Vergangenheit. Diesmal jedoch verunsichert er sein Lesepublikum stark. Denn den jungen österreichischen Autor interessieren nicht die Typen, die auf der Erfolgswelle des Lebens schwimmen oder zumindest nach außen hin die Fassade des Glücks und Erfolgs aufrecht halten können. Jürgen Bauer

