Kalender | Arche Literaturkalender 2026 »Herz und Verstand« ist das Motto des neuen Arche Literaturkalenders für das Jahr 2026. Wer kennt das nicht, wenn man zwischen diesen beiden Polen, dem Gefühl und der Vernunft, manchmal hin- und hergerissen ist? Von BETTINA GUTIÈRREZ
Literaturkalender 2026 Die Wochen bis zum Jahreswechsel sind gezählt. Sollte man nicht jetzt schon Termine übertragen, Geburtstage markieren, Pläne schmieden für das noch jungfräuliche 2026? Ganz beschwingt mit literarischer Begleitung und Inspiration für neuen Lesegenuss – Wiederentdeckungen inklusive? Aus der Fülle jährlich erscheinender Literaturkalender stellt INGEBORG JAISER einige herausragende Exemplare vor.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Auf Fang
Nach den Tagen der Ohnmacht waren die Männer begierig darauf, dem Teufelsfisch nachzusetzen. Eldin ging noch behutsam mit der Schulter um. Die letzten Tage hatte er den linken Arm in einer Schlinge getragen, sein Wurfarm war zum Glück unbehelligt.
Die Wunden der anderen waren ausgeheilt. Scammon war ein geduldiger Commandeur, Zeit spielte keine Rolle, er hatte niemanden gedrängt.
Der Teufelsfisch sei tagelang provozierend unverfroren in der Lagune aufgetaucht, sagte Crockeye zornig.
Er zeige seine Fluke aber wie einen freundlichen Gruß, entgegnete Pirelli, wie eine Geste unter Nachbarn, als fühle er sich zu Hause.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Sprachlos
Die Zustände seien unbeschreiblich. Farb lächelte.
Ihr fehlten die Worte, sagte Annika.
Erforderlich sei eine Wissenschaft des Zusammenbruchs, spottete Wette, in der die Stadien dieser Abläufe dargestellt würden und ebenso die Bedingungen für eine Eskalation, möglichst stufenweise, ähnlich der Richterskala, die vor kurzem für Erdbeben galt.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Rückbau
Ist das jetzt schon Rückbau?
Schwierig.
In Australien arbeiten sie daran, Farb, ja, der Staat sei wieder einmal als Reparaturbetrieb für Auswüchse des Kapitalismus gefordert, die Nutzung des Internets solle reduziert, solle altersmäßig begrenzt werden.
Schlechte Erfahrungen?
Genau, Farb. Mobbing auf Social Media, Shitstorm, Erpressungen, Mißbrauch wohin du auch siehst, das Netz präsentiere sich erfolgreich als Experimentierfeld für kriminelle Machenschaften.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Vorbei
Dauernd höre man jetzt von einem ›Kipppunkt‹ reden.
›Kipppunkt‹ werde mit drei ›P‹ geschrieben, das gehe auf eine Rechtschreibreform zurück.
Der Mensch sei eifrig bemüht, die Sprache zu verbessern.
Mit dreimal ›P‹, spottete Farb.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Stromausfall
Wenig vielversprechend, nein, vorbei, gute Laune war gestern.
Wie meinst du das, Wette?
Für gute Laune gibt es keinen Grund, nirgends.
Weshalb?
Sieh dich einmal um, Farb.
Annika blätterte in ihrem Reisemagazin.
Das Gespräch stockte.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Kultur II
Alles, was recht sei, sagte Farb, aber das halte er doch für weit hergeholt.
Er verstehe nicht genug, um sich ein Urteil zu bilden, sagte Wette, doch ja, er habe Gemälde gesehen, etwa auf einer Ausstellung in Zürich, Museum Riedberg, eindrucksvoll, sicher, aber er sei da auch lieber vorsichtig, nein, er wolle sich nicht aus dem Fenster lehnen.
Farb tat sich eine Pflaumenschnitte auf.
Tilman reichte ihm einen Löffel Schlagsahne.
Farb strich sie langsam und sorgfältig glatt.
Unvergleichlich, heiße es, und daß man gar von einer der wenigen bedeutenden Hinterlassenschaften menschlicher Kultur rede, sagte Farb, das scheine ihm doch alles etwas voreilig.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Rausch
Sie wollen das Leben auskosten, spottete Wette, genießen, sagte er, bis zur bitteren Neige auskosten, wie solle das gehen.
Annika blätterte in ihrem Reisemagazin.
Tilman warf einen Blick auf das Gohliser Schlößchen.
Farb tat sich eine Pflaumenschnitte auf.
Allein der Mensch könne solche Vorsätze fassen, spottete Wette, er suche sein Leben selbst zu gestalten, die anderen Lebewesen wüßten sich in die Vorgaben der Natur zu ordnen.
TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Auf Irrwegen
Wer finde sich noch zurecht, klagte Wette.
Es sei einfach zu viel, sagte Annika.
Ob man reduzieren müsse, fragte Farb.
Wo anfangen, fragte Annika.
Wette lachte. Bei sich selbst, sagte er, jeder bei sich selbst, das wäre doch möglich, man könnte Tempo reduzieren, eine Pause einlegen, die Intensität verringern.

