Gesellschaft | Markus Morgenroth: Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! Big Brother. Ursprünglich ist das keine Fernsehsendung, sondern eine lückenlose gesellschaftliche Überwachungsinstanz in einem Staat der Zukunft. Die RTL-Veranstaltung setzt den Zuschauer selbst in die Situation der überwachenden Instanz und amüsiert sich über jegliche Überwachungsgefährdung. Der Zuschauer erlebt einen derbe lustigen Ringelpiez mit Anfassen, dem sich u. a. ein Ex-Senator aus Hamburg aussetzt, was also soll daran schlimm sein. Von WOLF SENFF
Kommentar | Fußball und Politik Fußball war immer schon ein Paradigma für das Geschehen im politischen Raum. Berühmtestes Beispiel ist Günter Netzer, der Partys auf Sylt feierte und nie verstand, weshalb er eine Symbolfigur für politischen Aufbruch wurde, das Leben tritt kompliziert in Erscheinung. Von WOLF SENFF
Film | TV: Tatort 914 Paradies (ORF), 31. August Ganz Österreich ist potenzieller Tatort beim ORF, wir erinnern uns an ›Kein Entkommen‹ aus dem Februar 2012, in dem mitten in Wien alte Rechnungen aus dem Bosnien-Krieg beglichen wurden, an Ermittlungen in der Kärntner Provinz (›Unvergessen‹, Mai 13), an Elendsprostitution in Wien (›Angezählt‹, September 13), an ein Horrorhaus im niederösterreichischen Gieselbrunn (›Abgründe‹, März 14). Das Geschehen in ›Paradies‹ spielt sich in der steiermärkischen Provinz in einem Altersheim für Mittellose ab. Von WOLF SENFF
Kulturbuch | Jochen Schimmang: Grenzen, Ränder, Niemandsländer Schwierig, über Literatur zu schreiben. Oder vielleicht eher: Mir fällt es schwer. Die Maßstäbe sind im Übergang, Trivialliteratur ist seit Urzeiten abgeschafft. Wo man nur hinsieht, wird gecrossovert, der etablierte Betrieb befasst sich mit eigenen Sorgen. Die jüngste deutsche Nobelpreisträgerin äußert sich zur Ukraine, es müllert, dass noch die letzten Grenzpfähle im Sumpf versickern. Von WOLF SENFF
Film | TV: Polizeiruf ›Morgengrauen‹ (BR), 24. August Liefert uns ›Morgengrauen‹ diesmal den ambitionierten Versuch, aus eingefahrenen ›Polizeiruf 110‹-Spuren auszubüxen? Oder mehr noch, man will diesen Kommissar neu erfinden? Kann ja sein. Er nennt sich diesmal nicht mehr »von«. Jedenfalls nicht durchgängig. Und es ist angekündigt, dass er sich verliebt. Meuffels? Verliebt? Von WOLF SENFF
Gesellschaft | M. Metz, G. Seeßlen: Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld Beim Lesen dieser umfassenden Darstellung von Kunst in der Gegenwart kommt immer wieder die Frage auf, ob die geschilderten Phänomene nicht der Kunst ebenso wie dem Fußball zu eigen sind oder der Schauspielerei. Überhaupt fällt auf, dass Markus Metz und Georg Seeßlen einzelne Kunstwerke nur im Ausnahmefall erwähnen. Es geht in neoliberalen Zeiten um das neue Besondere von Kunst, das in der Ökonomie der Kunst bzw. in der Aneignung der Kunst durch Ökonomie sichtbar wird – ein Frontalangriff, der sie fundamental veränderte. Von WOLF SENFF
Sachbuch | Alastair Brotchie: Alfred Jarry. Ein pataphysisches Leben Pataphysik ist ein Thema mit doppeltem Boden, mindestens. »Die Schmerzen in Ihrem linken Schultergelenk«, diagnostiziert die Ärztin, »sind altersbedingt.« – »Unmöglich«, widerspricht der Patient, »die rechte Schulter ist doch ebenso alt und sie tut nicht weh.« Hm. Oder anders: Weshalb bleibt ausgerechnet die Teekanne, die seit Jahren einen Sprung hat, länger heil als diejenige, die die ganze Zeit lang immer heil war? Diese Art Fragen treiben uns um. Von WOLF SENFF
Sachbuch | Gabriel Zucman: Steueroasen Hoeneß, JVA Landsberg, ist eine Mücke, vergleicht man ihn mit denjenigen, die real die Beträge verschieben. Gut, eine Mücke sticht, sie überträgt leidige Krankheiten. Aber der grandios inszenierte Bouhaha, der um die Steuer-CDs veranstaltet wurde, hat bei den tatsächlich Vermögenden, wenn überhaupt, ein gelangweiltes Schmunzeln verursacht. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Dilger / Fatheuer / Russau / Thimmel: Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie Südafrika 2010 sind »die Einnahmen der Fifa gegenüber der letzten WM in Deutschland im Jahr 2006 um mindestens fünfzig Prozent gestiegen«. Da wussten sie doch, die Brasilianer, was sie erwarten würde. Oder? Aber Lula, bis 2010 Präsident Brasiliens, war offenbar närrisch, wenn es um Fußball ging. Von WOLF SENFF
Ausstellung | Rembrandt Bugatti: Alte Nationalgalerie Berlin, 28. März bis 27. Juli 2014 Was immer du unternimmst, du kommst zu spät, so ist das Leben. Mit dieser Ausstellung hatte ich Glück, sie lief noch, nur der Name des Museums war mir nicht mehr geläufig, die Museen verwechselt man schon mal, sie heißen auf der Insel alle gleich: Altes Museum, Neues Museum, Neue Nationalgalerie, Bode-Museum, Alte Nationalgalerie – wer soll sich da zurechtfinden? Von WOLF SENFF [Titelfoto:Rembrandt Bugatti, Großer Ameisenbär (Le grand fourmilier), Detail, 1909, Bronze, 36 x 41 x 21,5 cm, Privatsammlung, Foto: privat]

