Film | TV: TATORT – Borowski und der Engel (NDR), 29.12. Dieser TATORT kommt mit ätherischer Leichtigkeit daher. Borowski (Axel Milberg) widmet sich vor Studenten allerlei philosophischen & endgültigen Betrachtungen über Mord, das Gute, das Böse, und in der folgenden Szene schon, wer hätte damit gerechnet, ist Herr Kellermann verstorben. Altenpflege ist nicht in jedem Falle erquickend und überhaupt erweisen sich die Zusammenhänge als wenig zusammenhängend. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Fette Hoppe (MDR), 26.12. Man sitzt davor und überlegt noch, ob man lachen soll. Trockene Dialoge. Das um einen Bruchteil hinausgeschobene Zögern, bevor geredet wird. Schräge Figuren. »Die Frau strahlt so eine unbestimmte Zugänglichkeit aus – was sicher manchen Mann moralisch erneuern könnte«. Hans Bangen (Wolfgang Bauer) sieht aus wie ein Hans im Glück, der ein Schwein gegen den Erfolg im Casting getauscht hat. Bogdanskis Ohren sind nicht lustig, aber gut sichtbar und originell. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Allmächtig (BR), 22.12. Das ist starker Tobak und bodenständig. Allmächtig führt uns mit souveräner Selbstverständlichkeit in die zwei gleichermaßen morbiden Welten von Comedy und katholischer Kirche ein. Das können sich die Münchener Grandseigneurs Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) herausnehmen. Von WOLF SENFF
Film | Im Kino: Only lovers left alive Der Vampirfilm, möchte man annehmen, erfährt alle fünfzig Jahre sein faszinierendes Revival. Im Jahr 1967 war er höchst erfolgreich mit Roman Polanskis Tanz der Vampire, sein intellektueller Anspruch ist hoch, er verbirgt Melancholie hinter einer tendenziell unernsten Fassade. Dieser Tage legt Jim Jarmusch, seit Stranger than paradise (1984) und Down by law (1986) eine Ikone des Independent-Kinos, dem Publikum einen Vampir-Film vor. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Luc Boltanski: Rätsel und Komplotte. Kriminalliteratur, Paranoia, moderne Gesellschaft Der französischer Soziologe Luc Boltanski veröffentlichte im Jahr 2003 mit Eve Chiapello Der neue Geist des Kapitalismus. Sein neues Werk spielt eine andere Melodie, er knüpft an Methoden der Literatursoziologie an, an Lucien Goldmann und Pierre Bourdieu, die auf der Grundlage der Abbildtheorie von Literatur und Gesellschaft sich der Ästhetik literarischer Werke zuwandten. Luc Boltanski widmet sich dem Genre Kriminalroman/Spionageroman – ein vielversprechender Ansatz. Von WOLF SENFF
Interview | Medea Benjamin im Gespräch mit Wolf Senff Sie ist Mitbegründerin der Friedensorganisation Codepink und hat im November die internationale »Drone Summit«-Konferenz in Washington sowie eine Anhörung im US-Kongress mit Drohnenopfern aus dem Jemen organisiert: MEDEA BENJAMIN zählt in den USA zu den prominentesten Aktivisten. Für TITEL-Kulturmagazin führte WOLF SENFF ein Interview mit ihr.
Gesellschaft | Medea Benjamin: Drohnen-Krieg Einleitend schildert die Autorin den Widerspruch, den unsere neuesten Technologien allesamt präsentieren: Sie verheißen Präzision und bleiben leere Versprechung, weil sie in der Realität weit mehr schaden als nutzen. Das reicht heutzutage bekanntlich von der »Kernenergie« – wer hat sich nur dieses Wort einfallen lassen – bis zu Diagnosemethoden bei Prostata oder zur Mammographie. Von WOLF SENFF
Sachbuch | Elisabeth Hoffmann, Karl-L. Heinrich: Auf den Spuren von Commissario Brunetti / Katharina Holtmann: Auf den Spuren von Donna Leon in Venedig Erklären, aus welchen Gründen Commissario Brunetti bei den Deutschen so außerordentlich beliebt ist? Bei Lichte betrachtet ist er doch gar kein Italiener. Der Schein trügt, denn Brunetti hat unverkennbar preußische Züge. All die komplizierten Verbrechen aufzuklären, die ja oft weit über die Landesgrenzen hinausreichen, dazu gehört logisches Denken, ein hohes Maß an Disziplin, präzise Organisation. Von WOLF SENFF
Film | Neu im Kino: Ich und du (Italien 2012) Bernardo wer? Er arbeitete mit am Drehbuch für Spiel mir das Lied vom Tod? Lang ist’s her. Führte Regie in dem grandiosen Opus 1900 (Novecento, 302 Min.)? Drehte Der letzte Kaiser? Wann war das? Ach ja, 1968, 1976 und schließlich 1987 – oh, oh, finsteres Mittelalter. Seinerzeit wurde zum ersten Mal einer westlichen Filmproduktion gestattet, in der »Verbotenen Stadt« zu arbeiten. Von WOLF SENFF
Film | TATORT – Eine andere Welt (WDR), 17. November Soll man anfangen mit den Peinlichkeiten Fabers (Jörg Hartmann), die uns befristet aufregen dürfen, bis wir uns am Zügel einer souveränen Regie (Andreas Herzog) hinreichend aufmerksam, erleichtert gar, der Handlung zuwenden? Hm. Ebenso überzeugend ist die Idee, Bildfolgen von Nadine Petzokats (Antonia Lingemann) Mobiltelefon leitmotivisch einzuspielen und damit dem Geschehen ein Gerüst zu verleihen, originell und tragfähig, das die Ereignisse faszinierend ätherisch ausbalanciert. Von WOLF SENFF