Gesellschaft | Mirian Goldenberg: Untreu Gender-Forschung ohne Konfrontationskurs? Starker Tobak. Mirian Goldenberg versteht sich als Anthropologin, sie führt umfangreiche Forschungsvorhaben durch und beschäftigt sich in ihren zahlreichen Publikationen durchgängig mit dem Verhalten brasilianischer Mittelschichten, was Liebe, Begehren, Ehe, Familie und Treue betrifft. Legen wir das ungelesen beiseite ins Regal für Spießbürger? Mal halblang, meint WOLF SENFF.
Film | Im TV: Polizeiruf 110, ›Abwärts‹ (MDR), 6. Juli Babys legen vor der Kamera stets eine fröhliche Miene auf. Dieses Baby verweigert sich? Das gibt zu denken. Der Sonntagabend-Krimi liefert triste Realität? Von Jochen Drexler (Sylvester Groth) wird niemand behaupten, er wolle glänzen, groß herauskommen, den Larry machen. Nicht mal lustig will er. Er macht seinen Job. Nicht mehr, nicht weniger. Von WOLF SENFF[Foto:MDR/Oliver Feist]
TITEL-Thema | Brasilien 2014 ›Die Jungs‹ sind eingeschnappt. Es entsteht eh der Eindruck, dass sich die Reifeprozesse generell verzögern, oder, anders, die langjährige und intensive Teilhabe an Spaßgesellschaft trägt dazu bei, dass fröhliche, unbeschwerte Kindlichkeit länger als üblich ihr Unwesen treibt. Man fühlt sich gut so infantil, man zickt herum, das kompliziert die Dinge. Von WOLF SENFF
Kulturbuch | Lea Gamula, Lothar Mikos: Nordic Noir Wer konzentriert schaut, sieht am Horizont so etwas wie grenzüberschreitende europäische Kultur heraufdämmern, kann durchaus sein. ›Nordic Noir‹ beschreibt in Anlehnung an den »Film Noir« der vierziger, fünfziger Jahre eine Tradition skandinavischen Kriminalfilms seit den späten neunziger Jahren, im Vorlauf der Kriminalromane stufen wir Maj Sjöwall und Per Wahlöö als Geburtshelfer ein, deren international erfolgreiche Roman-Reihe der sechziger und siebziger Jahre ebenso erfolgreich verfilmt wurde. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Michael Hirsch: Warum wir eine andere Gesellschaft brauchen! Das Gefühl, dass Lähmung um sich greift, ist unverkennbar. Dennoch erleben wir im Alltag eine unaufhaltsame Beschleunigung – was ist eigentlich los? Die Lähmung, so Michael Hirsch, in diesem Punkt an Slavoj Zizek anknüpfend, sei verursacht durch den in unseren Köpfen zutiefst verwurzelten Glauben an ›Wachstum‹ und ›Fortschritt‹. Und die Beschleunigung ist das Ergebnis der durch nichts und niemanden gebremsten kapitalistischen Erwerbsorientierung, vulgo Raffgier. Von WOLF SENFF
TITEL-Thema | Brasilien 2014 Sogar dem Kommentator brechen die Sehnsüchte durch und er schwärmt von der Kultur des Lebens in Costa Rica, wo niemandem die Zeit durch die Finger rinnt, sondern sie ohne Not und Ende verfügbar bleibt und die Spieler sich durch nichts hetzen lassen. »There is a crack in everything/ That’s where the light gets in« (Leonard Cohen). Weist der Fußball in seinen schönsten Momenten womöglich doch über sich hinaus: Ein Spiel, das Horizonte öffnet? Hinzu kommt: Es ist erstaunlich, wie abrupt sich Stimmung verändert, sobald die Spiele beginnen. Von WOLF SENFF
TITEL-Thema | Brasilien 2014 Eröffnung sah er nicht, nein. Die Sängerin, die abgesagt hatte, war nun doch da? Nein, all der Eröffnungshype, das interessiert ihn nicht. Der offizielle Song reizte ihn ganz und gar nicht, der Sänger nannte sich Pitbull, was für eine charmante Idee, sicherlich ein Beispiel für abgründigen Humor. Nein, nicht seine Welt. Wie heißt er überhaupt, unser Irrenarzt? Ach, er möchte inkognito bleiben, er möchte heute wenig reden. Von WOLF SENFF
TITEL-Thema | Brasilien 2014 Nein, ich muss um Nachsicht bitten. Ja, genau, was die Irrenärzte betrifft. Man vertut sich schon mal. Richtig ist, dass es Irrenärzte einfach nicht mehr gibt. Wer ›Irrenarzt‹ eintippt, den reicht Wikipedia automatisch zu ›Psychiater‹ weiter. Echt. Gibt null Erklärung, wird glatt so weitergereicht. Tatsache. Woanders steht was von ›Geusenwort‹ und von ›Euphemismus-Tretmühle‹. Gut, wir wollen es nicht drauf ankommen lassen, doch dass man sich wundert, das wird erlaubt sein. Von WOLF SENFF
Menschen | Abel Paul Pitous: Mon cher Albert Wird Albert Camus noch gelesen? Die Pest? Camus stand stets im Schatten von Jean Paul Sartre. Oh, sie begründeten die Tradition der schwarzen Rollkragenpullover, dafür sei beiden gedankt, Camus kam leider früh zu Tode. Der hier veröffentlichte Brief fand sich im Nachlass des 2005 verstorbenen Abel Paul Pitou, eines Jugendfreundes von Camus, und wurde 2013 von dessen Sohn zur Veröffentlichung gegeben – die unscheinbarsten Manuskripte erreichen die Welt auf den kompliziertesten Pfaden. Pitous und Camus spielten in diversen Schulmannschaften gemeinsam Fußball, das verleiht dem Text spezielle Würze in diesem Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft.
TITEL-Thema | Brasilien 2014 Berechtigte Frage: ob man das mit nem normalen Kopf noch verarbeitet. Ist ein bisschen viel auf einmal, oder? Die Bewohner der Favelas, die verzweifelt darauf hoffen, die unteren Ränder der Mittelklasse zu erreichen, der Staat, der, anstatt in Infrastruktur zu investieren, sich abzocken lässt und Milliarden für gigantische Stadien verpulvert – Manaus, wo England gegen Italien spielen soll, liegt am schönen Amazonasfluss tief im tropischen Regenwald –, und eine kriminelle FIFA, die sich mit drei Milliarden im Säckel davonschleichen wird. Von WOLF SENFF

