Film | TV: TATORT – Auf ewig Dein (WDR), 2. Februar Da schickt sie, schwanger, den Papa in spe nach Hause, und als er die Tür hinter sich schließt, bricht sie heulend zusammen. Schnitt, nächster Tag: Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) sitzen nebeneinander im Dienstwagen. Hat jemand behauptet, dass TATORTe Krimis seien? Man darf das nicht missverstehen. Wenn sie gut sind, führen sie uns in künstlerischer Dichte vor, wie die Dinge sich abspielen im Leben, im Alltag. Fünfundvierzig Filmminuten später die Versöhnungsszene – es pendelt hin und zurück, für Rührseligkeit wird keine Zeit verplempert. Von WOLF
Film | TV: TATORT – Adams Alptraum (SR), 26. Januar Im Grunde genommen sträubt sich die Feder, diesen TATORT zu rezensieren, man mag sich das nicht antun. Weshalb? Weil ein Fall von Kindesmissbrauch beteiligt ist, und mittlerweile entsteht leider der Eindruck, dass Kindesmissbrauch, weil quotenträchtig, gezielt mit Blick auf die Quote eingesetzt wird. Wer auf das vergangene TATORT-Jahr zurückblickt, findet zahlreiche Fälle von Kindesentführung, von sexuellem Missbrauch. Doch sehen wir erst einmal auf den Film, auch wenn’s schwerfällt. Von WOLF SENFF
Roman | Leonhard F. Seidl: Genagelt Krimiliteratur vom Feinsten: die Endstation für brave Katholiken: Der Erste wird gekreuzigt am Feldrand aufgefunden. Der Zweite baumelt in Halbschuhen erdrosselt vor einer Sitzbank. Die Dritte wird Opfer einer Brandkatastrophe. Der Autor Leonhard F. Seidl kommt in Genagelt einem Serienmörder auf die Schliche. Der Rezensent HUBERT HOLZMANN steht in sicherer, agnostischer Entfernung.
Film | TV: Tatort – Todesspiel (SWR), 19. Januar Eine Clique um die Dreißig, Konstanzer Boheme, bunt zusammengewürfelt; wer auf sich hält, ist dabei: Vom steinreichen Privatier über Boutiquenbesitzerin und Hedgefondsmanager zum Superstarwettbewerbszweitplatzierten bis zur traumatisierten, abgelegten Ex in der Klinik – sortiert von einer Kommissarin Blum (Eva Mattes), die zielstrebig und unbeirrbar ermittelt wie eine, Kompliment, Miss Marple at her best. Auf so tragfähigem Fundament wurde TATORT seit gefühlten Ewigkeiten nicht gedreht. Man vergisst zu schnell. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Türkischer Honig (MDR), 1.1. Die ersten Minuten reißen uns ratzfatz in Abgründe, uns bleibt kaum eine Sekunde, uns über das übernächtigte Gesicht der Eva Saalfeld zu wundern, wir werden in familiäre Verstrickungen geworfen, »Ich bin dein Vater!«, »Du bist Abschaum!«. Nein, »Action« sollte das niemand nennen. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Borowski und der Engel (NDR), 29.12. Dieser TATORT kommt mit ätherischer Leichtigkeit daher. Borowski (Axel Milberg) widmet sich vor Studenten allerlei philosophischen & endgültigen Betrachtungen über Mord, das Gute, das Böse, und in der folgenden Szene schon, wer hätte damit gerechnet, ist Herr Kellermann verstorben. Altenpflege ist nicht in jedem Falle erquickend und überhaupt erweisen sich die Zusammenhänge als wenig zusammenhängend. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Fette Hoppe (MDR), 26.12. Man sitzt davor und überlegt noch, ob man lachen soll. Trockene Dialoge. Das um einen Bruchteil hinausgeschobene Zögern, bevor geredet wird. Schräge Figuren. »Die Frau strahlt so eine unbestimmte Zugänglichkeit aus – was sicher manchen Mann moralisch erneuern könnte«. Hans Bangen (Wolfgang Bauer) sieht aus wie ein Hans im Glück, der ein Schwein gegen den Erfolg im Casting getauscht hat. Bogdanskis Ohren sind nicht lustig, aber gut sichtbar und originell. Von WOLF SENFF
Film | TV: TATORT – Allmächtig (BR), 22.12. Das ist starker Tobak und bodenständig. Allmächtig führt uns mit souveräner Selbstverständlichkeit in die zwei gleichermaßen morbiden Welten von Comedy und katholischer Kirche ein. Das können sich die Münchener Grandseigneurs Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) herausnehmen. Von WOLF SENFF
Sachbuch | Elisabeth Hoffmann, Karl-L. Heinrich: Auf den Spuren von Commissario Brunetti / Katharina Holtmann: Auf den Spuren von Donna Leon in Venedig Erklären, aus welchen Gründen Commissario Brunetti bei den Deutschen so außerordentlich beliebt ist? Bei Lichte betrachtet ist er doch gar kein Italiener. Der Schein trügt, denn Brunetti hat unverkennbar preußische Züge. All die komplizierten Verbrechen aufzuklären, die ja oft weit über die Landesgrenzen hinausreichen, dazu gehört logisches Denken, ein hohes Maß an Disziplin, präzise Organisation. Von WOLF SENFF
Roman | Krimi | Massimo Carlotto: Die Marseille Connection Am Ende des Actionkinos French Connection (1975) fährt der Drogenboss Alain Charnier auf seiner Jacht die schier endlose Ausfahrt des alten Hafens von Marseille entlang, während ihn der New Yorker Cop Jimmy »Popeye« Doyle alias Gene Hackman an der Kaimauer nachjagt. Dieser Dreh bezieht minutenlang die einmalige Stadtkulisse Marseilles um den Vieux Port mit ein. Eine cineastische Glanzleistung. Ganz im Gegensatz dazu vermeidet der italienische Erfolgsautor Massimo Carlotto in seinem neuesten Krimi Die Marseille Connection jegliche Anspielung auf das Lokalkolorit der europäischen Kulturhauptstadt von 2013. Über die Gründe kann HUBERT HOLZMANN